Montanarchäologische Untersuchungen in der Walchen bei Öblarn
von Gerald Fuchs
1. Topografie und Lagerstätte

Abb. 1: Die Walchen südwestlich von Öblarn.
ÖK 128 1 : 50.000 (BEV).
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In der Walchen (Abb. 1), südlich von Öblarn befinden sich in der Katastralgemeinde Sonnberg ausgedehnte Vererzungszonen, die zahlreiche Erzmineralien führen: überwiegend Schwefelkies, daneben Kupferkies, Bleiglanz, Zinkblende, Magnetkies, silberhältiges Fahlerz, Arsenkies, Antimonit, Pyrargirit und Gudmundit (Redlich 1903, Unger 1968a). Die Mächtigkeit der Lagergänge beträgt stellenweise mehrere Meter. Die Stollen liegen in 1100 bis 1550 m Seehöhe, die Aufbereitungsanlagen und Schmelzöfen an der Sohle des Walchengrabens in rund 980 m Seehöhe nahe beim „Berghaus". Die reiche Lagerstätte in der Walchen wurde über Jahrhunderte hinweg abgebaut, die Erze aufbereitet und verhüttet – zur Gewinnung von Kupfer, Blei, Silber, Gold, Schwefel und Vitriol. Die wirtschaftliche Grundlage von Öblarn war in dieser Zeit der Bergbau.
Im Walchengraben befindet sich auch ein bedeutendes Marmorvorkommen, dessen Abbau erst vor wenigen Jahrzehnten stillgelegt worden ist.
2. Historisches
Die älteste Bergbautätigkeit in der Walchen ist praktisch unerforscht. Nach der Häufigkeit urgeschichtlicher Kupferbergbaue und Schmelzplätze im Paltental (Preßlinger & Eibner 1996) wäre es aber denkbar, dass das wichtige Vorkommen in der Walchen bereits früh genutzt worden wäre - doch ein Nachweis fehlt bisher.
Zwei römische Grabsteine in Öblarn belegen zumindest indirekt eine Besiedlung in dieser Periode. Göth 1843 berichtet, dass beim Ausgraben eines Kellers ein aus [Walchener Marmor] verfertigtes römisches Monument sammt darunter liegenden Steinmetzwerkzeugen gefunden wurde (Stipperger 1993: 8). Die vermutete römerzeitliche Nutzung des Marmorvorkommens in der Walchen ist mit modernen Methoden zu überprüfen. Die Bezeichnung „Walchen" könnte nach Roth (1990: 94) auf die restromanische Bevölkerungsgruppe der Barschalken hinweisen.
Aufgrund der urkundlichen Überlieferung lässt sich ab 1230 eine Bergbautätigkeit in der Walchen indirekt erschließen (Köstler 1993b: 71) und erst ab 1432/1434 eindeutig belegen. Die Bergbaue befanden sich im 15. Jahrhundert im Eigentum des Klosters Admont, das die Gewerken belehnte (Redlich 1903: 5; Wichner 1891). 1666 kauft Johann Adam Stampfer den Bergbau samt Schmelzhütten, Schwefelöfen und allen Werksgebäuden (Tremel 1939, 1952). Er selbst entwickelte ein Verfahren zur Reinigung der Erze von Kobalt, Schwefel und Eisen. Zwischen 1712 und 1715 bringt Hans Josef Graf von Stampfer den Bergbau zur Blüte. 1729 wird der Thaddäus-Stollen angeschlagen. 1793 verfertigt Johann Durmer eine Karte (Abb. 2) mit der Beschreibung des Stampfer'schen Kupferbergbaus. In der Zeit der Stampfer erfolgten wesentliche technische Verbesserungen an den Anlagen und den Aufbereitungsprozessen. 1802 kauft Graf Batthyány das Bergwerk und geht in Konkurs. Unter den Grafen von Friedau, die das Bergwerk bis 1857 betrieben, kam es zur letzten Blüte, obwohl der Betrieb längst defizitär war (Steinlechner 1897). Danach folgen Phasen des Stillstandes mit mehreren Versuchen einer Wiederinbetriebnahme (Köstler 1993a; Unger 1968a: 6-8). Zwischen 1924 und 1938 verbrechen die zuletzt betriebenen Stollen, 1938 bis 1945 erfolgt eine Wiedergewältigung. Am 04.11.1959 wird der Bergbau durch die Berghauptmannschaft Leoben stillgelegt.
3. „Walchnerisches Verhüttungsverfahren"

Abb. 3: Schmelzrest (Reichblei?)
im Silbertreibherd, Grabung 2000.

Abb. 2: Karte von J. Durmer 1793.
Ausschnitt mit dem Bereich der Schmelzhütte.
In einer Gedenkschrift (Steinlechner 1897) werden die aufwändigen metallurgischen Prozesse genau beschrieben, die wegen der speziellen Erzzusammensetzung notwendig waren. Dieses „walchnerische Verfahren" verbreitete sich bis in die Slowakei, Ungarn und Polen, wo es bei ähnlich schwierigen Verhältnissen angewendet worden ist. Wie bei anderen mehrstufigen Verhüttungsverfahren ist das Ziel stets die Konzentration der Wertstoffe in Zwischenprodukten und deren sukzessive Extraktion mit möglichst geringen Verlusten (Steinlechner 1893; Redlich 1903: 45-56; Tunner 1847, 72-74, Tabelle):
- Röstung der Roherze: Der Röstprozess in den großen „Öblarner Schwefelöfen" dauerte 20 Wochen, als Nebenprodukt wurde Schwefel gewonnen.
- Rohschmelzen: Die vorgerösteten Erze wurden in Krummöfen geschmolzen, wobei die Metalle in der Rohleche, einem Zwischenprodukt, 10fach konzentriert wurden.
- Verfrischen der Rohleche - Verbleiung. Im Krummofen wurde die Rohleche durch Zugabe von Hartwerkkupfer und Speise, sowie Bleiglätte und bleihaltigem Herd aus Prozess Nr. 5 verschmolzen.
- Verfrischen der Rohleche – Abdörren. Im selben Ofen wurde die Rohleche das zweite Mal mit Bleiglätte und metallischem Blei verschmolzen. Die beiden Zwischenprodukte Reichblei (silberhaltig) und Kupferlech (sog. Abdörrstein) wurden in den Prozessen Nr. 5 bzw. 6 weiter verarbeitet.
- Silbertreiben: Im Treibherd wurde aus dem silberhaltigen Reichblei feingebranntes Blicksilber gewonnen (vgl. Abschnitt 6.1.) – die Nebenprodukte Bleiglätte und Herd fanden bei den Prozessen Nr. 3 und 4 Verwendung.
- Rösten des Abdörrsteins: Viermaliges Rösten des in Prozess Nr. 4 gewonnenen Abdörrsteins (Zwischenprodukt der Kupfererzeugung).
- Schmelzen des gerösteten Abdörrsteins: Schmelzen im Krummofen mit Zugabe von Schlacke und quarzhaltigem Tonschiefer als Flussmittel – es fallen die Zwischenprodukte Kupferstein und silberhaltiges Hartwerkkupfer an.
- Rösten des Kupfersteins: 10 bis 12maliger Röstprozess in offenen Röststadeln mit Brennholz. Der in Prozess Nr. 9 anfallende Spurstein wird mit verröstet.
- Schmelzen des gerösteten Kupfersteins: In niedrigen Krummöfen werden Schwarzkupfer und Spurstein erzeugt.
- Abtreiben des Schwarzkupfers (Garmachen): In offenen Garherden wurde aus dem Schwarzkupfer endlich das Rosettenkupfer als Endprodukt erzeugt.
In der Spätphase des Bergbaus enthielten 1000 kg Roherze im Durchschnitt 9,28 kg Kupfer und 70 g Silber, davon konnten real 8,1 kg Kupfer und 56 g Silber gewonnen werden. Das Verfahren der Goldgewinnung wird in den Quellen nicht beschrieben.
Die Jahresproduktion an Kupfer erreichte in den Jahren 1680 bis 1780 zwischen 18,7 und 70 Tonnen (im Durchschnitt rund 40 t). Aus der Zeit der Ritter von Friedau liegen für die Periode von 1821 bis 1858 genaue Daten für die Jahresproduktion der einzelnen Produkte vor (Redlich 1903: 42-43; Köstler 1993, 249-250):
Kupfer: 2,9 bis 30,5 Tonnen - von 1831 bis 1840 im Durchschnitt mehr als 25 t, danach rückläufige Tendenz bis auf ca. 10 t.
Silber: 10,4 bis 182,1 kg – im Durchschnitt etwa 120 kg pro Jahr, kein lineares Verhältnis zwischen Kupfer- und Silberproduktion.
Gold: 0,1 bis 2,5 kg – im Durchschnitt etwa 1,5 kg pro Jahr.
Schwefel: stark schwankende Produktionszahlen zwischen 1828 und 1857: zwischen 1,1 und 46,8 Tonnen.
Kupfervitriol: stark schwankende Produktion zwischen 1821-24 und 1831-57 von 1,2 bis 57,7 Tonnen, in der Periode von 1838 bis 1857 durchschnittlich etwa 30 t.
4. Montangeschichtliche Denkmale
Der reiche Bestand an Relikten der Bergbaus, der Erzaufbereitung und der Verhüttung in der Walchen bildet ein ausgedehntes montanhistorisches Ensemble, das in dieser Art einzigartig in Österreich ist. Die zahlreichen Stollen, Halden, Werkgebäude, Aufbereitungsanlagen und Schmelzöfen prägen mit ihren Relikten die bewaldete Landschaft. Der Erhaltungszustand der frühneuzeitlichen Industrieanlagen ist relativ gut, da sie in jüngerer Zeit nur wenig verändert oder zerstört worden sind.
Seit 1998 setzte der Bergbauverein Öblarn unter Leitung von Obmann Günther Dembski in Kooperation und mit Unterstützung der Marktgemeinde Öblarn eine Initiative zur Erhaltung der montanhistorischen Anlagen. Der Beginn einer touristischen Nutzung wurde mit der Eröffnung des „Öblarner Kupferweges", eines montanhistorischen Schaupfades, im Juni 2000 gesetzt. Aktuelle Informationen finden sich im Internet unter www.kupferweg.at
Ziel der archäologischen Untersuchungen ist es, die Funktionweise der Anlagen und den Ablauf des komplizierten „walchnerischen Verfahrens" auf der Grundlage von archäologischen Befunden und schriftlichen Quellen zu rekonstruieren und dies an dem Ort, wo das Verfahren erfunden worden ist. Als Besonderheit ist hervorzuheben, dass Teile der Holzkonstruktionen im Boden hervorragend erhalten geblieben sind.
5. Arbeitsprogramm 2000

Abb. 4: Holzrest von einer Konstruktion
in der Schmelzhütte (Streufund 1999)
Im Auftrag und in Zusammenarbeit mit dem Bergbauverein Öblarn (Obmann Günther Dembski) wurden in der Zeit vom 5. Juni bis 4. Juli 2000 die archäologischen Untersuchungen und Dokumentationsarbeiten in der Walchen durchgeführt. Dank des tatkräftigen Einsatzes zahlreicher Mitglieder des Bergbauvereines Öblarn konnte ein umfangreiches Arbeitsprogramm realisiert werden. Die Arbeiten dienen der Vorbereitung für die nachfolgende Konservierung der neuzeitlichen Montandenkmale und der Gestaltung als Schauobjekte im Rahmen des „Öblarner Kupferweges". Die bemerkenswerten fachlichen Ergebnisse unterstreichen die überregionale Bedeutung des montanhistorischen Ensembles.
Die Finanzierung der Grabung, Konservierungsarbeiten und Einrichtung des „Öblarner Kupferweges" wurde ermöglicht durch Beiträge des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE), des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit (BMWA) im Rahmen des Programmes Leader II, des Revitalisierungsfonds der Steiermärkischen Landesregierung, der Marktgemeinde Öblarn, sowie durch Eigenleistungen des Bergbauvereines Öblarn.
Durchführung und Organisation:
WISSENSCHAFTLICHE LEITUNG:
Dr. Gerald Fuchs (Fa. ARGIS).
GRABUNGSLEITUNG:
Jörg Fürnholzer.
MITARBEITER/INNEN:
Waltraud Auritsch, Günther Danklmaier, Dorit Drost, Georg Drost, Franz Ettlmaier, Martin Gassner, Franz Glatz, Adolf Golka, Ulrich Lasser, Peter Lechner, Ferdinand Raith, Manfred Schütter, Bert Stöger, Hannes Walcher.
Obmann Günther Dembski besorgte die Organisation und arbeitete auch bei der Grabung tatkräftig mit.
Als Grabungsmethode wurde die moderne stratigrafische Methode angewendet, da nur diese der komplexen Befundsituation gerecht wird. Die Grabungsvermessung erfolgte digital im Landeskoordinatensystem. Die Dokumentation von Maueroberflächen wurde fotogrammetrisch durchgeführt, wodurch eine genaue und rasche Aufnahme des Befundes zu erzielen ist.
Die Arbeiten konzentrierten sich auf folgende Objekte:
- Grabungsfläche 1/00: Silbertreibherd – archäologische Untersuchung und Konservierung, zugleich Schwerpunkt des heurigen Arbeitsprogrammes.
- Grabungsfläche 2/00: mehrphasiger Ofen innerhalb der Schmelzhütte – archäologische Untersuchung.
- Labor: fotogrammetrische Dokumentation aller Maueransichten für die nachfolgende Sanierung.
- Stampferhaus: fotogrammetrische Dokumentation mehrerer Maueransichten für die Konservierung.
6. Silbertreibherd (Grabungsfläche 1/00)
6.1. Grabungsbefunde

Abb. 5: Der konservierte Silbertreibherd.

Abb. 6: Gestempelter Ziegel vom Silbertreibherd:
„de Conte IN W. NEUSTADT".

Abb. 8: Silbertreibherd: kreuzförmige
Lüftungskanäle im Unterbau.

Abb. 9: Silbertreibherd,
Rinne zum Ablaufen der Bleiglätte
Erstmals in Österreich konnte ein neuzeitlicher Silbertreibherd (Abb. 5) freigelegt und dokumentiert werden. Der Herd ist trotz einiger rezenter Störungen in seiner Substanz noch sehr gut erhalten, so dass wichtige technische Details, wie Form und Aufbau des Objektes, die Lage der Kanäle etc. zu erkennen sind. Daneben geben verschlackte Ofenziegel und Reste der Schmelze an der Ofenwand in Originallage wichtige Hinweise auf die Art des metallurgischen Prozesses.
Der Treibherd von 3,6 m Durchmesser ist fast kreisrund, nur im Südwesten geradlinig begrenzt, da hier eine rechteckige Struktur (= Flammofen) angebaut ist – beide Teile sind in einem Zug errichtet worden und somit zeitgleich. Die Fundamente und das Aufgehende der Außenmauern bestehen aus gemörteltem Bruchsteinmauerwerk mit etlichen Ziegeln und einigen behauenen Blöcken, deren konvexe Außenkante dem Radius des Herdes entspricht. Übergroße Mauerziegel wurden an der Trennwand zwischen Treibherd und Flammofen verbaut – einige tragen den Stempel der Ziegelei „de Conte IN W. NEUSTADT" (Abb. 6). An der Basis des Treibherdes verlaufen zwei sich rechtwinkelig schneidende ca. 30 cm breite Kanäle zur Belüftung, die in Gewölbetechnik aus kleinen Mauerziegeln errichtet worden sind (Abb. 8).
Der Oberbau besteht aus einer gemörtelten leicht geneigten Plattenlage, die auf einer Schlackeschicht liegt, die wahrscheinlich zum Zweck der Isolierung und Wärmespeicherung eingebracht worden ist. Auf der Außenmauer des Herdes und der Plattenlage liegen sechs radial angeordnete Kanäle von 12 bis 16 cm Breite, die von gemörtelten Ziegelreihen gebildet werden (Abb. 7); ein weiterer im Südwesten endet an der Trennwand des Flammofens.
Im Nordwesten und Nordosten befindet sich je eine in Mischmauertechnik (vermörtelte Bruchsteine mit Ziegeln) errichtete schräge Rinne (Abb. 9), die mit einer in die Außenmauer gehauenen Abschrägung korrespondiert – es handelt sich um die Auslassöffungen für die Bleiglätte.
6.2. Der Silbertreibprozess
Das Verständnis der metallurgischen Abläufe gründet sich auf die schriftliche Überlieferung. Allgemein von Interesse ist die Darstellung bei G. Agricola (S. 399-413) aus der Zeit um 1550. Das Urkundenmaterial, welches auf die Schmelzprozesse im 16. und 17. Jh. In der Walchen Bezug nimmt, ist hinsichtlich der Verfahren noch nicht ausreichend analysiert worden. Unmittelbaren Bezug zum dokumentierten Silbertreibherd hat die Beschreibung von Bergwerksverweser Leopold Steinlechner (1897: 38-42), in der das Verfahren in der Zeit der Ritter von Friedau (1819 - 1858) im Detail beschrieben und hier fast vollständig wiedergegeben wird:
„Um das Silber aus den .... Reichblei zu erhalten, wird letzteres auf einen gewöhnlichen Silbertreibherd gebracht und abgetrieben. Es wird nämlich mit einem an dem Treibherd angebrachten Windofen durch Flammenfeuer das Reichblei geschmolzen und durch die lebhafte Einwirkung des Sauerstoffs der auf die Oberfläche des geschmolzenen Bleies wirkenden Gebläseluft oxydiert, wobei das schmelzbare Bleioxyd als Glätte abgeleitet wird und das Silber regulinisch im Herde zurückbleibt. .....
Der Herd wird aus einer Masse bereitet, die keine Bestandteile enthalten, die zu einer Wiederreduktion des Bleies beitragen könnten, die aber dem Metalle eine poröse Unterlage bietet.
In der Walchen wurde die Masse zum Herd aus feingepochten Mehlen von 5 Teilen gut gerösteten reinen Lehm und 13 Teilen Tuffstein, nämlich 2 1š2 Metzen Lehmmehl und 6 1š2 Metzen Kalktuffmehl bereitet...
Ist der Herd mit dieser Masse so fest und überall gleichförmig geschlagen, dass er den Eindruck eines Fingers widersteht, so wird in der Mitte des konkav geschlagenen Herdes wieder eine kleine konkave 3š4 bis 7/8 Zoll tiefe und nach Verhältnis des anzuhoffenden Silberblickes im Durchmesser weite kreisrunde Spur ausgeschnitten und sorgfältig mit einer marmorsteinernen Kugel geglättet, worin sich das Silber sammeln kann und der Silberblick eine regelmäßige, linsenförmige Gestalt erhält. - Ist man damit fertig, so wird der Herd mit nussgrossen glühenden Kohlen, die früher durch ein Drahtsieb gereinigt werden, mässig dünn überstreut und ausgewärmt, darnach mit einem Bartwisch wieder sauber gereinigt; die durch dieses Auswärmen hie und da entstandenen Harrfeinen Sprünge mit nasser Holzasche mittels eines Pinsels verstrichen.
Damit bei dem Überlegen der Reichbleistückel der Herd nicht beschädigt wird, wird auf die Mitte des Herdes eine dünne Lage Stroh gelegt, worauf dann ungefähr 60 Zt [= 3360 kg] Blei, die der Herd fassen kann, übergelegt werden. Der Rest des noch vorhandenen Reichblei wird, wenn durch das Ablaufen der Glätte sich neuer Platz dafür findet, während dem Treiben durch das Schürloch auf einer Furkel, von der es langsam in den Herd abschmelzt, nachgetragen. .....
Nach vollendetem Eintragen des Bleies wird mittels eines Krahns der aus Eisenblech bestehende und innen mit Ton ausgekleidete Treibhut aufgesetzt und an seiner Peripherie mit Ton verschmiert und fängt an in dem daran stossenden Flammofen zu heitzen. Ungefähr nach 14 Stunden ist das ganze Werkblei flüssig, nun erst wird das Gebläse angelassen und lebhaft geheitzt, dadurch hebt sich aus dem Blei eine schlackige Masse von Kupfer, Eisen und Zinkoxyden und anderen unreinen Bestandteilen, die mittels hölzerner Kisten abgezogen werden, und heisst der Abzug. Es kommen aber immer wieder neue Unreinigkeiten zum Vorscheine, die aus dem Herd geschliessen werden, die man Abstrich nennt, bis endlich das Blei in kreisförmige Bewegung kommt und sein Spiegel sich blank und rein zeigt. Das Blei fängt nun an zu glätten und die Bleioxyde werden an der äusseren Peripherie vom Herde eingesogen, wodurch kleine Blasen sichtbar werden, die von den entweichenden Gasen entstehen und das sog. Herdeln oder der Herddrang genannt wird. Die Glätte, welche durch den Wind gegen die Glättgasse getrieben werden, lässt man langsam durch die Glättgasse abfliessen und schneidet die Gasse bei sich immer mehr vermindernder Bleimasse allmählich auch immer tiefer in den bereits mit Bleioxyd angesogenen Herd mit einem sägeartigen Instrument ein, damit die Glätte ablaufen können.
Die Glätte dürfen aber nie ganz abgelassen werden, weil sonst auch Werkblei mit abfliessen und bei zu wenig mit Glätte bedeckten Blei sich Blei und Silber verflüchtigen würde. Damit nicht zu viele Glätte abfliessen, verklebt man die Glättgasse zeitweise mit einem kleinen weichen Tonkügelchen, was bei zunehmender Glättbildung wieder aufgerissen wird.
Mit der Richtung der zwei nebeneinander in den Herd ragenden Gebläsdüsen und den an ihrer Mündung angebrachten beweglichen Fahnen muss man der Glättbildung zu Hilfe kommen und bei Verminderung der Bleimasse den Düsen entweder eine tiefere Neigung geben oder etwa schwerere Fahnen vor die Mündung hängen, damit das Werkblei immer von dem Wind getroffen wird und in kreisförmiger Bewegung bleibt.
Während der Zeit des Abzuges und Abstriches ist eine lebhafte Feuerung nötig, während der Glättezeit muss man aber das Feuer so mässig als möglich unterhalten, um nicht zu viel Blei und Silber im Rauche fortzujagen. Kommt die Zeit zum Blicken, so ist wieder starke Feuerung nötig, weil sonst das Ag [Silber] nicht die Ausscheidung der letzten Bleiteile bewirken könnte und die Masse auch leicht erstarren (einfrieren) würde, was nur schwer wieder durch Bleinachtragen und sehr heftige Feuerung aufgelöst werden kann. Ein altes Sprichwort sagt: „Kalt Treiben und heiss Blicken."
Das Blicken fängt damit an, dass die noch auf der Oberfläche schwimmende Glätte allmehlig über dem Silbertiegel hinweg und über den Rand des Silbers hinausgetrieben wird; während aber dieses geschieht, scheiden sich in Gestalt dunkler Wolken aus der Silbermasse immer wieder neue Glätte aus, zwischen denen das Ag unter ständiger Bewegung und beständiger Veränderung seiner Oberfläche rein und blank hervorleuchtet, bis endlich plötzlich die Glätte ganz verschwindet. Das Silber auf einen Augenblick meergrün überläuft und in der Masse Ruhe eintritt. Nach 2 bis 3 Min. darauf ist der Blick auch fein getrieben und das weitere Feinbrennen in einem Teste erspart, weil der Feingehalt schon auf 15 Lot 13 bis 14 1š2 Gran pro Mark gebracht wird.
Nach diesem Moment wird das Gebläse augenblicklich abgeschützt und schnell mit einer hölzenen Rinne Wasser seitwärts auf den glühenden Herd geleitet, welches heiss auf den Silberblick läuft und denselben erstarren macht. Der Silberblick wird nun aus dem Herd gehoben und in reinem Wasser von den allenfalls anklebenden Herdteilchen gereiniget, gewogen und an das kk. Münzamt abgeliefert. .....
Der gewöhnliche Zeitaufwand bei dem Silbertreiben beträgt zum Auflösen des Bleies ohne Gebläse 14 Stund, zum Abtreiben mit Gebläseluft 28 Stund. Im Ganzen 42 Stunden, wozu 3 1š2 Wr. Klafter Schnittholz verbraucht werden."
Der Treibherd war bei normalen Produktionsbedingungen 12mal pro Jahr in Betrieb. In der Friedau'schen Ära war der Schmelzwerkshutmann zugleich Silbertreiber.
6.3. Rekonstruktion des Silbertreibherdes
Die Konstruktion des Herdes wird von Steinlechner nicht im Detail beschrieben, diese ist aus den Grabungsbefunden klar ersichtlich und damit eine wesentliche Ergänzung zum beschriebenen Treibprozess.
Die Basis wird von einer vermörtelten Plattenlage gebildet, die fugenlos in das Fundament des Treibherdes und des Flammofens übergeht. Im Unterbau des Treibherdes liegen kreuzförmig die Lüftungskanäle, die notwendig waren, um den Herd austrocknen zu können, die aber keine Verbindung zum Oberbau des Herdes hatten. Wie Spuren an den beiden westlichen Öffnungen erkennen lassen, waren diese – vermutlich aber alle - verschließbar.
In der Osthälfte des Flammofens sind die Wände verschlackt und v.a. die Schiefersteine thermisch stark beansprucht. Die Öffnung nach Süden war oben wahrscheinlich geschlossen. Das indirekte Beheizen des Treibherdes mit Hilfe des Flammofens hatte wahrscheinlich einen erhöhten Brennstoffverbrauch zu Folge, aber eine Verunreinigung des Treibherdes konnte dadurch hintan gehalten werden. Im Inneren des Treibherdes finden sich keine Spuren direkter Hitzeeinwirkung durch offenes Feuer.
Der Unterbau des Treibherdes wird vom Oberbau im Inneren durch eine Schlackeschicht zur Wärmespeicherung und Isolierung und eine darauf liegende leicht geneigte vermörtelte Plattenlage getrennt. Auf der Plattenlage befinden sich Reste von sieben Kanälen von 12 bis 16 cm Breite (zur Austrocknung des Herdes?), die aus Ziegeln gemauert sind, die Zwickel zwischen den Kanälen waren ebenfalls mit Schlacke verfüllt. Darauf lag wahrscheinlich eine feuerfeste Stein- oder Kupferplatte, von der keine Reste mehr vorhanden sind.
Die Außenmauer des Treibherdes mit den beiden (!) Glättgassen im Norden und Westen und das aufgehende Mauerwerk des Flammofens sind in einem Zug errichtet worden. Die Rinnen der Glättgassen über der Außenmauer sind nach Fertigstellung des Herdes durch Steinmetzarbeit nachgearbeitet worden, wie die Schrämspuren zeigen. Nach außen führen stark geneigte gemauerte Rinnen, in denen die Bleiglätte ablaufen konnte; ihre sandig-lehmige Oberfläche ist durch Hitzeeinwirkung stark verfestigt. Ein kleiner Anbau (Stufen?) im Nordosten ist später hinzugefügt worden.
Nach der traditionellen Bauform der Silbertreiböfen im Ennstal (Mühlau bei Admont 1579; Schladming 1674 - vgl. Wichner 1891: 143, 147-148) und einer schriftlichen Nachricht über die Anschaffung eines „neuen eisernen Treibehutes" für die Schmelzhütte in der Walchen in der Ära der Ritter von Friedau (1819 – 1857) (Steinlechner 1897) kann erwartet werden, dass der Silbertreibherd einen eisernen Treibehut besaß. Möglicherweise befinden sich unter den zahlreichen geborgenen Eisenfunden einige Teile, die diese Ansicht untermauern können.
Nach Abschluss der Grabung wurde knapp westlich vom Treibherd beim Anlegen eines Entwässerungsgräbchens unmittelbar unter dem Humus eine massive Steinplatte von 1,0 x 1,2 m im Grundriss freigelegt. Sie besitzt in der Mitte ein kreisrundes Loch von 12 cm Durchmesser, in dem sich noch Holzreste befinden. Es handelt sich höchstwahrscheinlich um den Basisstein des Krans, mit dem der Treibehut bewegt werden konnte. In der Öffnung befand sich vermutlich das Drehlager für die horizontal schwenkbare Vertikalstütze des Krans. Die Funktion der zwei senkrecht eingegrabenen Pfosten östlich vom Herd ist noch unklar; eine dendrochronologische Untersuchung durch M. Friedrich (Universität Hohenheim) ergab ein wahrscheinliches Alter von „einige Jahre nach 1790". Die Luftzufuhr muss von Süden her erfolgt sein, da hier in wenigen Metern Entfernung der Fluter vorbei läuft, der die Antriebskraft für das Wasserrad zum Betrieb der Blasbälge lieferte.
Im Vergleich zur Darstellung bei G. Agricola (De re metalllica) stellt der freigelegte Silbertreibherd eine technisch perfektionierte Anlage dar. Der Prozess des Silbertreibens ist entsprechend modifiziert worden, seine Prinzipien und Grundlagen haben jedoch eine Jahrhunderte lange Tradition und sind bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts beibehalten worden. Der Treibherd ist ein wichtiges Zeugnis für eine alte, heute längst abgekommene Technologie – und zwar aus der Spätphase ihrer Anwendung.
7. Ofen (Grabungsfläche 2/00)

Abb. 10: Fläche 2/00, DOF 2, Ofen.

Abb. 11: Fläche 2/00:
Ansammlung von Ofenkacheln.
Etwa 30 m südöstlich vom Silbertreibherd wurde von G. Dembski unmittelbar unter dem Humus eine Ansammlung von Ofenkacheln festgestellt (Abb. 11) – das Fundmaterial füllt mehrere Kisten. Die Untersuchung hatte die Fundbergung sowie die Dokumentation der Befunde und des Kontextes zum Ziel.
Die Ofenkacheln liegen im Inneren und unterhalb eines Ofens, dessen Innenmaße ca. 0,9 x 1,2 m betragen. Ein Zusammenhang zwischen Ofen und Kacheln ist nicht feststellbar, die Keramik ist vermutlich als Müll entsorgt worden. Der Ofen weist mindestens drei Bauphasen auf (Abb. 10). Seine Funktion im Rahmen des Verhüttungsprozesses ist nur durch die Untersuchung des Umfeldes zu klären – es sind sehr komplexe Befunde zu erwarten. Unterhalb des Ofens liegen zahlreiche behauene und gut erhaltene Hölzer in einer Schicht, die der Betriebsphase zuzurechnen ist.
Literatur
- Agricola Georg (1556 / übers. Nachdruck 1978): De re metallica libri XII – Zwölf Bücher vom Berg- und Hüttenwesen. Düsseldorf.
- Dembski Günther (2000): Öblarner Kupferweg. Montanhistorischer Schaupfad Walchen. Kurzführer. Öblarn, 56 S.
- Fuchs Gerald (2000): Kupfer, Silber und Gold aus der Walchen bei Öblarn. Archäologie Österreichs, 11/2, Wien, [2001], 50 – 52.
- Fuchs Gerald (2001), Montangeschichtliche Denkmale in der Walchen bei Öblarn, Steiermark. res montanarum, 26, Leoben, 18 – 26.
- Göth Georg (1843): Das Herzogthum Steiermark. Bd. 3, Gratz, 171 – 175.
- Köstler Hans Jörg (1993a): Das Bergwerk in der Walchen bei Öblarn. Seine Entwicklung vom Kupfer- und Edelmetallbergbau zur Schwefelkiesgrube seit Mitte des 19. Jahrhunderts.
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- Köstler Hans Jörg (1993b): Neuzeitliches Montanwesen im Bezirk Liezen. in: Bergbau und Hüttenwesen im Bezirk Liezen (Steiermark). Kleine Schriften der Abteilung Schloß Trautenfels am Steiermärkischen Landesmuseum Joanneum, 24, 69 – 75, 78.
- Pantz Anton von (1902): Über einige steirisch-kärntnerische Gewerkenfamilien. Carinthia I, 92, Klagenfurt, 95 – 98 [betr. Stampfer von Walchenberg; S. 95-96 betr. Walchen].
- Pirchegger Hans (1951): Geschichte des Bezirkes Gröbming. Gröbming, 166, Karte Öblarn u. Sonnberg 1825.
- Preßlinger Hubert & Eibner Clemens (1996): Bergbau, Verhüttung und Siedlungstätigkeit in der Bronzezeit im Paltental. Bisher vorliegende Ergebnisse. Da schau her, 17, (4), Trautenfels, 8 - 13.
- Redlich Karl A. (1903): Die Walchen bei Oeblarn. Ein Kiesbergbau im Ennsthal. Berg- und Hüttenmännisches Jahrbuch, 51, Wien, 1 – 62, Taf. I-II.
- Reichel Rudolf (1889): Kleine Beiträge zur Geschichte des steirischen Bergbaues im Zeitalter des österr. Erbfolgekrieges. Nach Berichten der kais. Oberbergrichter Joh. Anton Ferch und Franz Leopold Ferch. Mittheilungen des historischen Vereines für Steiermark, 37, Graz, 182 - 187.
- Roth Paul W. (1990): Zur Frage einer restromanischen Besiedlung der Steiermark. Blätter für Heimatkunde, 64, (1/2), Graz, 94 (erwähnt).
- Schenzl Guido (1850): Analyse der Bleispeise von Oeblarn in Obersteyermark. Jahrbuch der k.-k. Geologischen Reichsanstalt, 1, Wien, 343 – 346.
- Smola Gertrud (1968): Persönlichkeiten im Bereiche des Berg- und Hüttenwesens in Innerösterreich. in: Der Bergmann. Der Hüttenmann. Katalog der 4. Landesausstellung 1968. Graz, 410 – 411 [betr.: Hans Adam Stampfer].
- Steinlechner Leopold (1897): Gedenkschrift des vom Jahre 1469 zum Jahre 1857 in Betrieb gestandenen Gold und Silberhältigen Kupfer Bergbaues in der Walchen bei Öblarn im Ennstal. Abschrift 1938. [Kopie beim Bergbauverein Öblarn].
- Stipperger Walter (1993): Öblarn, Niederöblarn, Gstatt. Vergangenheit und Gegenwart. Öblarn, 5 - 25.
- Tremel Ferdinand (1939): Ein steirischer Kupfer- und Edelmetallbergbau. Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, 32, Stuttgart, 228 – 244.
- Tremel Ferdinand (1952): Hans Adam Stampfer. Ein innerösterreichisches Gewerkenleben des 17. Jahrhunderts. Zeitschrift des historischen Vereines für Steiermark, 43, Graz, 75 – 97 [betr. Walchen S. 80, 81-88, 90, 93, 97 Anm. 1].
- Tunner P. (1847): General-Bericht über die berg- und hüttenmännischen Hauptexkursionen in den Jahren 1843 bis 1846. Die steiermärkisch-ständische montanistische Lehranstalt zu Vordernberg. Ein Jahrbuch für den österreichischen Berg- und Hüttenmann, 3-6, 1843-1846, Wien, 59 – 61, 72 – 74, Tabelle.
- Unger Heinz J. (1968a): Der Schwefel- und Kupferkiesbergbau in der Walchen bei Oeblarn im Ennstal. Archiv für Lagerstättenforschung in den Ostalpen, 7, Leoben, 2 - 52, 5 Pläne [mit weiterführender Literatur und unveröffentlichten Berichten].
- Weiß Alfred (2001): Eine bemerkenswerte „Gedenkschrift" vom Bergbau Walchen bei Öblarn / Steiermark. res montanarum, 26, Leoben, 27 – 37.
- Wichner J. (1891): Kloster Admont und seine Beziehungen zum Bergbau und zum Hüttenbetrieb. Berg- und Hüttenmännisches Jahrbuch, 39, Wien, 111, 129-130, 135-136, 142, 143, 146, 149, 153, 154.
Anschrift des Verfassers:
Dr. Gerald Fuchs, ARGIS Archäologie Service
A – 8114 Kleinstübing 56
Tel. +43-3127-28633
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